Die Erkenntnis aus dem letzten Artikel ist, dass alle Lösungsansätze für ein halbwegs geordnetes Familienleben, inklusive Arbeit und Schule, innerhalb der Familie gefunden werden (müssen). Vielleicht bedeutet das, dass man sich letzten Endes im Moment auch nur auf sich selbst und seine engste Familie verlassen kann.
Helfende Großeltern, Freunde oder andere Vertraute sollen ihre Kontakte auf das absolute Minimum reduzieren und dürfen nicht mehr aktiv werden. Genau wie Familien selbst ja auch. Alles spielt sich nur noch im kleinsten Kreis ab. Das trägt dazu bei, dass Spannungen in den Familien zunehmen. Schon im ersten Lockdown mussten wir erfahren, dass häusliche Gewalt zunimmt. Freundschaften zerbrechen, psychisch Vorerkrankte haben einen enorm erhöhten Leidensdruck. Gleichzeitig sind Kurplätze begrenzt, teilweise sind gar Kurhäuser geschlossen. Das Online-Angebot von Schulen kommt nur schleppend in Gang – vor allem auf dem Land. Damit stehen Kinder, Jugendliche und Eltern vor Bergen von Aufgaben ohne bzw. mit wenig Begleitung. Natürlich gibt es positive Ausnahmen.
Eine Vielzahl der Schüler:innen kann sich nicht mehr treffen, geschweige denn gemeinsam lernen. Und gerade die kleinen Schüler:innen sehen fast nur noch ihre eigenen vier Wände und die üblichen Mitbewohner. Langeweile ist gut, sie fördert kreatives Denken und Lösungsfindung. Doch wie auch schon im Frühjahr 2020, kippt der positive Aspekt der Langeweile. Wenn Energie und Motivation der Eltern jetzt – verständlicherweise – ebenfalls das Limit erreicht haben und Erschöpfung sich breit macht, wird es für den Haussegen höchst schwierig.
Dazu kommt, dass es von außen genug Probleme gibt, die Grund für weitere Aufregung, gar für Wut, Enttäuschung oder auch Sprachlosigkeit geben.

Das Sitzenbleiben eines Schülers soll im Pandemie-Schuljahr weiter eine legitime Option bleiben. Dem Schüler soll damit die Chance gegeben werden, sich dem Stoff des Lehrplans noch einmal zu nähern. Ist es aber nicht eher eine Strafe? Das Kind, das es in der Schule sowieso schon schwer hat, von zuhause – aus verschiedenen Gründen – keine gute Unterstützung erfährt, von der Schule nicht ausreichend gefördert und erreicht wird, soll am Ende von eineinhalb desaströsen Schuljahren aus der ihm vertrauten Klasse gerissen und als der Sitzenbleiber zu den jüngeren geschickt werden. Dieser Umstand ist schon zu „normalen“ Zeiten demütigend und emotional schwer zu bewältigen. Jetzt, unter Pandemiebedingungen, sind Kinder und Jugendliche so oder so schon die Verlierer. Und jetzt bekommt das hilfsbedürftige Kind statt echter Fürsorge noch einen Tritt.
Lernplattformen funktionieren technisch nicht immer wie sie sollen. Das sorgte, zumindest zu Beginn, für gehörigen Frust. Dazu kommt, dass die vielfältigen Möglichkeiten der Plattformen durch die Schule nicht ausschöpfend für intensive „Fernschule“ genutzt werden. Häufig ist die einzige Option, die genutzt wird, der Button „Dateien“. Dort findet man den Berg zu erledigender Aufgaben – und nennt es dann Homeschooling, Fernunterricht, Online-Unterricht, häusliches Lernen oder ähnlich. Zumeist ist es aber nichts anderes als ein Berg von Hausaufgaben. Wenn man Glück hat, hat man es mit einer engagierten Lehrer:in zu tun, die ihre Pappenheimer wirklich kennt und auf sie zugeht.
Für Lehrer, für die Arbeit mit digitalen Medien bislang nicht so bedeutsam war, ist das Umschwenken auf digitales Lernen und Lehren ein beschwerlicher Prozess. Sicher strengt sich die Mehrheit von ihnen redlich an. Aber wenn man hört, dass Kinder in der Notbetreuung der Schule von den anwesenden Lehrern keine Unterstützung bei der Erledigung der Aufgaben erhalten, kann schon mal sowas wie Wut aufkommen.
Oft ist es nicht nur ein Gefühl, wenn es einem vorkommt, dass alle Last der Pandemie auf den Kindern abgeladen wird. Wer fragt sie eigentlich, wie es ihnen geht, was sie brauchen und was sie fühlen?
In Pandemiezeiten scheinen die Rollen der Eltern auch wieder klassischer auszufallen. Die begonnene gewinnbringende Aufweichung und Mischung der Vater- und Mutterrolle hat vielerorts wieder sein Ende gefunden. Homeschooling und Kinderbetreuung, Homeoffice und Haushalt liegen sehr häufig in den Händen der mittlerweile besonders erschöpften jungen Mütter.

Der erster Lockdown lief in einem „Na klar, wir machen alles mit, geht ja gar nicht anders“-Modus. Jetzt haben wir als Familien aber unsere Erfahrungen gesammelt, und nun dürfen wir uns auch Meinungen bilden und Emotionen aufbauen. Wir dürfen uns beschweren. Immer natürlich ohne den Blick darauf zu verlieren, dass wir ja natürlich auch nicht wollen, dass Menschen sterben müssen, weil andere Menschen nicht vorsichtig genug waren.
Aber wir müssen auch sehen, wie wir uns als Familie durch die Pandemie tragen und die neue Generation darauf vorbereiten, einen hoffentlich noch lebensfähigen Planeten zu erhalten und Gesellschaft zu gestalten. Schmückt euch eure Bubble weiter mit dem was da ist. Macht weiter aus Nichts Bonbons. Es wird auch für Kinder, Eltern und Familien wieder besser.
Übrigens müsst ihr euch nicht zu 100 % auf euch selbst verlassen. Die Sächsische Corona-Schutzverordnung beinhaltet bei den Kontaktbeschränkungen auch folgende Ausnahme:
